Habilitationsprojekt von Dr. Christina Traxler

 

Synodalität im Reich im 16. und 17. Jahrhundert

 

Ein Beitrag zur nachtridentinischen Ekklesiologie

und zum Verhältnis von Rom und Reichskirche

 

 

Die letzten beiden Sitzungen des Konzils von Trient im November und Dezember 1563 stellten die Weichen für das synodale Leben und die kirchliche Ordnung der Frühneuzeit. Zum einen rief das Konzil die im Mittelalter mehrfach eingeschärfte Praxis in Erinnerung, die Konzilsbeschlüsse auf Partikularsynoden zu promulgieren und in lokales Kirchenrecht zu überführen, sowie - im Turnus von drei Jahren bzw. einem Jahr - Provinzialsynoden und Diözesansynoden abzuhalten. Parallel dazu errichtete Papst Pius IV. 1564 die Konzilskongregation, der das päpstliche Interpretationsmonopol zukam, und verbot mit der Bulle Benedictus Deus jegliche Glossierung und Kommentierung der Trienter Dekrete. Mit diesem Doppelschritt sollte die Interpretation und Rezeption des Konzils von Anfang an der römischen Kontrolle unterstellt werden. Mit der Kurienreform Sixtus' V. 1588 wurden die Kompetenzen der Konzilskongregation mit zwei neuen Rechtsbefugnissen erheblich erweitert: künftig sollte ihr nicht nur die Überprüfung der bischöflichen Statusberichte bei ad limina-Besuchen, sondern auch die Überprüfung und formelle Approbation der Beschlüsse von Provinzial- und Diözesansynoden zukommen. Das partikulare posttridentinische Synodalwesen, welches das Konzil eingeschärft hatte, wurde damit zugleich zentralisiert. Dies veränderte die kirchliche Ordnung einschneidend.

Dieses Projekt untersucht das nachtridentinische Verhältnis von Reichskirche und Rom am Beispiel der synodalen Praxis und Theorie. Im Zentrum stehen die Provinzial- und Diözesansynoden im Reich im 16. und 17. Jahrhundert, zu denen bislang keine vergleichende Untersuchung vorliegt. Neben der synodalen Praxis soll deren theoretische Reflexion im Reich zur Sprache kommen, indem ausgewählte theologische und kanonistische Literatur zu Partikularkonzilien vorgestellt und auf ihr Synoden- und Kirchenbild hin untersucht wird. Die lokale Synodenpraxis und -theorie erwies sich als Brennpunkt, an dem sich bischöfliche und päpstliche Ansprüche konkret überschnitten und in Einklang gebracht werden mussten. Anhand der Synodenpraxis und ihrer theoretischen Reflexion im Reich soll deshalb die Wechselwirkung, die konkrete Auseinandersetzung und die Diskussion mit den päpstlichen Initiativen zur Durchsetzung der Tridentinischen Reform nachgezeichnet werden.

Schon der Verpflichtung zu Partikularsynoden im Reich bei gleichzeitiger römischer Zentralisierung der Konzilsinterpretation lag eine konfliktträchtige Spannung inne, die aus zwei Perspektiven - jener des Reiches und jener Roms - beleuchtet werden soll: Der Fokus auf das Reichsgebiet soll klären, wie die deutschen Bischöfe ihre Autorität und Autonomie, die sich u.a. in ihrem gesetzgeberischen Wirken auf Partikularsynoden zeigte, gegen die römischen Initiativen auf Deutungshoheit verteidigten bzw. in Einklang brachten. Der römische Blickwinkel soll zeigen, wie die "römische Zentrale" die (realisierten oder verweigerten) Initiativen im Reichsgebiet wahrnahm, kontrollierte und ggf. korrigierte. Diese Zusammenschau soll Aufschluss über die konkrete Realisierung und theoretische Begründung des nachtridentinischen Verhältnisses von Episkopat und Primat, von Generalkonzil und Partikularkonzilien, von Gesamt- und Teilkirche geben, worin sich nicht weniger als das Ringen um den katholischen Kirchenbegriff in der Frühneuzeit manifestiert.

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