Vom Heiligen getragene Geschlechtlichkeit. Kirchliche Sexuallehre an der Westfront von St. Stefan


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ao. Univ.-Prof. i.R., Mag.theol., Dr. theol., Dr. phil. Hermann Hold

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„Liebe ist … ein attraktives und zugleich konfliktreiches Thema. Individualisierungsprozesse erschweren es, Liebesbeziehungen zu leben. Ehen werden immer häufiger geschieden, Familien lösen sich auf. Gleichzeitig bezeichnen viele Menschen die Paarbeziehung als ihr Bild für ein gelingendes Leben, … .“(1) So eine weit verbreitete These. Aber: sind es wirklich Individualisierungsprozesse, die 'die Liebe erschweren' ? Und grundsätzlicher: sind die Erwartungen in das Gelingen einer Paarbeziehung nicht unrealistisch, wenn der Liebe von Frau und Mann das religiöse Fundament (bewusst wird hier von Fundament /nicht von „Ideologie“ gesprochen) fehlt?

Die These dazu: die Paarbeziehung wird überfordert, wenn Frau und Mann voneinander Liebe erwarten, ohne dass sie (tatsächlich! und stets aufs Neue!) Liebe von Gott bekommen (haben). (2) 

Diese These soll im folgenden erläutert werden.
Dazu ist es zunächst wichtig, das Grundlegende von Liebe anzusprechen.
Dafür gilt: „Ein Hemmnis beim Versuch, das Thema 'Liebe' begrifflich zu bestimmen, liegt in ihr selbst. Die Liebe sperrt sich gegen eine objektive, versachlichende Darstellung – sie ist kein Gegenstand und kann deshalb auch nicht begrifflich fixiert werden. Für die Theologie formuliert Wilfried Härle in Anlehnung an Rudolf Bultmann: „Man kann nicht über die Liebe (ebensowenig wie über Gott!) reden, sondern nur von ihr, und d.h. aus ihr.“ (3)
Wie nun aber in die Liebe hineinkommen? Die thesenhafte Antwort dazu: indem wir uns in den Raum Gottes, in den Bereich desjenigen, in dem die Liebe ist, begeben. Und: Wie kann Gottes Liebe in menschlicher Sexualität wirksam werden? Wieder thesenhaft die Antwort dazu: indem sie Frau und Mann in der auch von deren Unterschiedlichkeit herrührenden wechselseitigen Attraktivität mit-schöpferisch werden lässt.
Diese in abstrakter Formulierung gebrachten Thesen werden in einer architektonischen/bildlichen Sprache am Wiener Stephansdom erkennbar; freilich - für am Dom oft bloß vorbeihetzende Menschen muss dieses Bauwerk erst „zum Sprechen gebracht“ (4) werden. (5) 

Näherhin soll dabei die auch als „Westfassade“ bezeichnete „Westfront“ der Wiener Stephanskirche (6) in den Blick genommen werden; noch konkreter: diese weist links und rechts vom Riesentor, im unteren Drittel der sogenannten Heidentürme, „Halbsäulen (auf), die in das männliche und weibliche Geschlechtsmerkmal enden … .“ (7) 

Welche Bedeutung haben nun diese Skulpturen? Kommt ihnen überhaupt eine Aussagekraft zu oder handelt es sich um bloße Verzierungen? (8) Nun: Beachtung, wenngleich auch teils eine neglegierende-tabuisierende-korrigierende, haben sie jedenfalls gefunden. So etwa bringt die „Beschreibung der Metropolitankirche zu St. Stephan in Wien“, die Joseph Ogesser, ein „Priester der erzbischöflichen Kur“, 1779 in Wien herausgebracht hat, eine Rekonstruktion der „alte(n) St. Stephanskirche von 1147“, in der der weibliche Geschlechtsteil wie nicht vorhanden und der männliche stilisiert erscheint: An die Stelle des tatsächlich Beobachtbaren tritt eine auf dem Abstraktionsweg gewonnene Ornamentik des Männlichen. Wird hingegen das Sehbare als solches wahrgenommen, so setzt man häufig – siehe dazu etwa Reissner - eine zweifache Bedeutung, wenn man vermerkt, dass die in die Gestalt von Skulpturen gebrachte feminine und virile Sexualität „als Fruchtbarkeitssymbole gleichfalls Abwehrkräfte gegen das Böse darstellen.“ (9) 

Diese Deutungen (Fruchtbarkeit / apotropäisch) seien aber zunächst beiseite gelassen; vielmehr wird gefragt, ob bzw. wie sich in den Skulpturen männlicher und weiblicher Geschlechtsmerkmale an der Außen- (dazu These A) bzw. von der Innen-Seite (dazu These B) einer Kirche (her)  bzw. im Übergangsbereich von Profanem und Heiligem (dazu These C) Religiosität artikuliert bzw. wird. (10)

Die Westseite der Stephanskirche ist ja Außenfläche eines heiligen Raums. Die hier vorfindliche Darstellung männlicher und weiblicher Sexualität lässt somit nach der Relation des weiblich/männlichen Daseins und Heiligem fragen.

Dazu die Thesen (wobei A Bezug nimmt auf die profane Sicht der Sexualität – diese allerdings hinsichtlich ihrer Ausreichendheit anfragt; B: auf die Ermöglichung der Entstehung weiblicher und männlicher Identität sich bezieht; und C: auf die Zusammenfügung von Frau und Mann im Rahmen partnerschaftlicher Beziehung abstellt)

  • (A)  WENN MAN MEINT,  DASS MÄNNLICHER SEXUALITÄT / DEM MANN DER ‚RECHTE‘ PLATZ, DER WEIBLICHEN / DER FRAU HINGEGEN DIE MINDERWERTIGERE LINKE SEITE ZUKOMME, ARGUMENTIERT MAN IM RAHMEN PROFAN- HIEROKRATISCHER WELTANSCHAUUNG, NICHT ABER IM HIERARCHISCHEN HORIZONT (in dem das Heilige das Ursprüngliche ist)

Geht man von außen auf das Riesentor zu, so sieht man den stilisierten männlichen Penis auf der linken, die weibliche Vulva hingegen auf der rechten Seite angebracht. Damit kommt Wertigkeit zum Ausdruck. Denn: „Bis heute sind die Begriffe rechts und links für uns nicht wertfrei. Die romanische Kunst liefert uns zahllose Beispiele für die Bedeutung der beiden Richtungen. … . Der linken Seite haftet stets etwas Negatives an. Sie birgt schlechte Vorzeichen, was bereits aus der doppelten Bedeutung des lateinischen Wortes sinister abzulesen ist, das sowohl links als auch finster, unheilvoll und zwielichtig bedeutet.“ (11) Nach (nicht nur mittelalterlichen) weltlichen Einschätzungen der sozialen Wertigkeit von Frau und Mann irritiert das – „in der Welt“ hat eben dem Mann der wertvollere, der ‚rechte‘ Platz zuzukommen. Das ist aber eben die profane, die vor dem Heiligtum liegende Sicht der Dinge, die allerdings kirchlich korrigiert wird – eben indem die Seiten vertauscht werden. Sucht man nach Erklärungen dafür, so kann man versuchen die an der Außenseite des Gotteshauses sich findenden Skulpturen männlichen und weiblichen Sexus  - zumindest auch (12) - von Innen, vom heiligen Raum her (13), zu verstehen.(14)

  • (B)  GOTTES DIFFERENZIERENDE SCHÖPFERKRAFT LÄSST DEN MÄNNLICHEN UND WEIBLICHEN MENSCHEN ENTSTEHEN.

Die Sexualitäts-Skulpturen an der Außenseite eines heiligen Raums stellen (im Sinne einer Steinernen Bibel) dar, dass Mann und Frau aus Gottes Schöpfungshandeln werden / geworden sind. Näherhin wird - so meine Hypothese – auf Genesis 1, 27b: „als Mann und Frau schuf er sie“ Bezug genommen (und nicht auf Genesis 2,4b).

Schöpfung wird dabei verstanden als Ordnung im Sinne von Differenzierung: ein Ineinander-Verschlungensein des Männlichen und Weiblichen im Menschen wird auseinandergelegt in zwei unterschiedliche Weisen des Mensch-Seins, nämlich als Mann und Frau. Die Beiden sind unterschiedlich, aber prinzipiell gleichwertig, wie es die gleiche Höhe der Säulen, die das weibliche und das männliche Geschlechtsmerkmal tragen, indiziert.  

  • (C)   DAS EINE DAUERHAFTE BEZIEHUNG VON FRAU UND MANN TRAGENDE PRIZIP WURZELT NICHT IN EINEM DER BEIDEN, SONDERN IST EINE GRÖSSE, DIE BEIDE IM RAUM DES HEILIGEN ENTDECKEN UND AUS DER SIE SCHÖPFEN KÖNNEN.

Und: Mann und Frau sind – wie die Halbsäulen –  relativ selbständig.

Verbunden werden können das männliche und weibliche Geschlecht durch ein Geschehen, das im Riesentor stattfindet – durch ein Geschehen, in dem Profanes und Sakrales einander begegnen: (15) So in der liturgischen Handlung durch den sich im Portalbereich (16) befindlichen Priester, der den Ehewilligen Segen spendet. (17) Damit sind Trauungen angesprochen, wie sie im Mittelalter stattfanden. Gedanken der frühscholastischen Theologie erläutern dies näher; der Theologie dieser Zeit gelingt „ … eine gültige Ausformung der Ehelehre, indem sie das biblische Fundament und die patristischen Akzente in ein vertieftes Verständnis von ‚Sakrament‘ einbringt“. So scheinen hier also „zum einen die Überzeugung der italienischen Frühscholastik von Bedeutung [zu sein], die Sakramentalität der Ehe liege in der priesterlichen Einsegnung“ und auch „zum anderen die Weiterführung der Ehetheologie“ wie sie „in der Schule des Anselm von Laon und Wilhelm von Champeaux [mit dem Verweis] auf den Ursprung der Ehe im Paradies“ (18) artikuliert wird. Damit kommt einerseits liturgisches Handeln und andererseits auch dessen Verortung in den Blick: die Brautleute treten aus der Weite der Welt in den trichterförmig sich verengenden Bereich des Riesentores ein und von innen her, aus dem Bereich des Paradieses, kommt ihnen der Priester entgegen. An der Kirchen-Schwelle treffen sie einander: das profane, durchaus auch von Äußerlichkeiten und weltlichen Interessen bestimmte und daher auch prinzipiell wieder auflösbare wechselseitige Ja wird im Segen des Priesters mit dem Sacrum verbunden – aber eben nur verbal. Real wird diese Bindung an das Heilige in der geschlechtlichen Vereinigung, in der Mann und Frau heil, d.h. zu einem Ganzen werden. Trägt diese Interpretation, so wäre damit angesprochen, dass Ehe nicht nur in der Schöpfungs-, sondern auch in der Erlösungsordnung einen Stellenwert haben kann: Ehe als Heilmittel, das Verletztes, Verwundetes zu sanieren vermag. Jedenfalls ist "bereits in der [oben zitierten] Schule des Anselm von Laon und Wilhelm von Champeaux der Verweis auf den Ursprung der Ehe im Paradies … mit der Betonung ihrer im Heilswerk Jesu Christi begründeten Würde verbunden." (19)

So ergibt sich:

  • Beglückende Beziehung zwischen Frau und Mann ist in ihrem Ursprung getragen vom Heiligen: Mann und Frau werden von Gott her zusammengeführt. Oder: sie sind – prinzipiell gesehen: beziehungslos.
  • Diesen Thesen entspricht ein Liebes-Verständnis, das Liebe als etwas Vorfindliches, und nicht : als etwas Machbares, versteht - damit korreliert etwa das englische „to fall in love“.

Damit können wir wieder auf die Eingangs-Fragen zurückkommen und formulieren:
Wird die Mann-Frau Beziehung ohne ihre Verwurzelung im Heiligen gesehen bzw. gelebt, also nur äuszerlich, von auszen, von der Welt her (von dem, der auf die Westseite des Stefansdoms zugeht), so werden Mann und Frau auf ihre Sexualität reduziert bzw. fixiert. (20)

Wie also – so können wir nun zusammenfassend fragen- zeigt sich an der Wiener Stephanskirche Sexualität? Die Antwort hängt vom Standort des Betrachters ab: Dem, der nicht um das Getragensein von Mann und Frau vom Heiligen her weiß, erscheinen Mann und Frau als voneinander getrennte, auf Geschlechtsmerkmale fixierbare Größen. Damit korreliert ein Verständnis von Liebe, wie es Dux am Eingang seiner Untersuchung zu „Warum wir lieben“ formuliert: „Liebe … sei jenes, ich weiß nicht was, das sich aufgrund einer dem Subjekt eigenen Bedürfnislage als Verlangen äußert, das eigene Leben in der Bindung an den anderen in dessen Körperzone zu führen.“ (21) Das ist aber nicht die Sicht vom Heiligen, vom Inneren der Kirche her: Mann und Frau sind hier an Liebe, an Eros, zurückgebunden bzw. erscheinen als Geschöpfe der Liebe Gottes.
Aus theologischer Sicht werden also die eingangs angesprochenen Individualisierungsprozesse in ihrer Wertung als Erschwerung der Liebe relativiert – vielmehr erscheint als zentrale Conditio für die geglückte Frau-Mann-Beziehung die aus Gott kommende Liebe. (22)  

Fußnoten 1-22:

  1. So Ilona Nord in ihrer „Problemskizze“ zu „Lebensformen der Liebe“ (in: Individualität, Geschlechterverhältnis und Liebe. Partnerschaft und ihre pluralen Lebensformen in der pluralen Gesellschaft [= Öffentliche Theologie 16], Gütersloh 2001, 15)
  2. Diese These steht in Analogie zu dem bezüglich der Eltern-Kind-Relation von Prekop Jirina geäußerten Grundsatz: "Zunächst einmal kann Erziehung nur gelingen, wenn sie aus Liebe geschieht - und zwar aus vorbehaltloser, bedingungsloser Liebe." (aus einem Interview des Katholischen Bildungswerkes Wien, in: Bildungs-Werk-Zeug 6/02, 3).
  3. Nord Ilona, Individualität, Geschlechterverhältnis und Liebe. Partnerschaft und ihre pluralen Lebensformen in der pluralen Gesellschaft [= Öffentliche Theologie 16], Gütersloh 2001, 376-377.
  4. Dieser Kurz-Text greift somit das Anliegen auf, das Franz Hubmann und Rupert Feuchtmüller in ihrem Werk: St. Stephan in Wien. Der Dom lebt, Wien 1996 angehen: „Dieses Buch möchte einen anderen Weg als die bisher erschienenen Bände über den Stephansdom versuchen: es will den Dom selbst zum Sprechen bringen.“ (a.a.O., 8).
  5. Dabei wird angenommen, dass in Architektur eine in der Sprache des Bausteins formulierte Aussage, bei der Stephans-Kirche eine religiöse Aussage, also Verkündigung vorliegt. Diese Annahme steht in Verbindung zur von Günter Bandmann in „Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger“ (Berlin 9. Aufl., 1990) vorgestellten Methodik nach der man „das Auftauchen von Architekturgliedern nicht durch das 'Kunstwollen‘ erklärt … , sondern durch den Zwang, den eine im Kunstwerk eingeschlossene Bedeutung auf die Erscheinung ausübt. Mit anderen Worten: man versucht dem gerade für die mittelalterliche Baukunst bezeichnenden Faktum gerecht zu werden, dass nicht so sehr der Künstler, sondern der Auftraggeber wichtig ist und überliefert wird, indem man auch für die Baukunst voraussetzt, dass sie irgendeine Bedeutung besaß, die sinnfällig und eindrucksvoll zu gestalten erstes Anliegen des Bauherren durch die Hand des Künstlers war.“ (a.a.O., 9)
  6. Siehe dazu die Bilder und Texte bei Hubmann Franz und Rupert Feuchtmüller, St. Stephan in Wien. Der Dom lebt, Wiener Dom-Verlag, Wien 1996, 82-85.
  7. Reissner Erika, Ein Gang in und um den Wiener Stephansdom, Verlag der Wiener Katholischen Akademie, Wien 1985 [= Miscellanea der Wiener Katholischen Akademie, Dritte Reihe Nr. 68], 18.
  8. Allerdings macht bereits 1939 Evers Hans Gerhard, in: Tod, Macht und Raum als Bereiche der Architektur, München, 173, aufmerksam „daß es den 'Schmuck'‘ bloß um des schönen Ansehens willen in der mittelalterlichen Kunst nicht gibt.“
  9. Reissner Erika, Ein Gang in und um den Wiener Stephansdom, Verlag der Wiener Katholischen Akademie, Wien 1985 [= Miscellanea der Wiener Katholischen Akademie, Dritte Reihe Nr. 68], 18.
  10. Dabei wird als methodischer Grundsatz genommen, dass –so Bandmann- „das Symbol in der christlichen Kunstauffassung zweierlei (leistet): wenn es das Geistige, Göttliche als Vorbild nimmt, ist es geringer als das Vorbild. Es dient ihm und weist darauf hin. Wenn das Symbol aber die Materie, das Irdische abbildet, dann stellt es die Verbindung zum Göttlichen her, läutert und reinigt die Vorlage zu einem Teil der göttlichen Ordnung.“ (Bandmann Günter, Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger, Berlin 9. Aufl., 1990, 23).
  11. Beigbeder Oliver, Lexikon der Symbole. Schlüsselbegriffe zur Bildwelt der romanischen Kunst, Zodiaque 1989, 301.
  12. Beigbeder macht „deutlich …, dass das Thema der Richtungen äußerst komplex ist … . Trotz der Klarheit der Textquellen und unseres auch heute noch aufschlußreichen Wortgebrauchs ist der Gegensatz zwischen rechts und links in manchen Einzeldarstellungen doch zweideutig und muß in einem größeren Zusammenhang näher beleuchtet werden. Zuweilen –und besonders häufig in der romanischen Kunst- geschieht es, dass ein Bild sozusagen umgekehrt angelegt ist, so dass der Betrachter seinen Standpunkt ändern und es gleichsam von hinten sehen und verstehen muß. Wenn es sich um eine Vision des Jenseits handelt, dann werden sie rechts und links von der zentralen Christusgestalt aus gesehen, sind also für den Betrachter seitenverkehrt. In … Darstellungen des Jüngsten Gerichts werden die Auserwählten stets zur Rechten Gottes, vielfach unter den Arkaden des himmlischen Jerusalem gezeigt. Vom Betrachter aus gesehen erscheinen sie damit links.“ (Beigbeder Oliver, Lexikon der Symbole. Schlüsselbegriffe zur Bildwelt der romanischen Kunst, Würzburg 1998, 305-306)
  13. In diese Richtung spricht sich Dux Günter in „Geschlecht und Gesellschaft. Warum wir lieben. Die romantische Liebe nach dem Verlust der Welt“, Frankfurt am Main 1994, 442, aus: „Jede Liebe enthält ihrer Natur nach das grenzenlose Ganze des Universums in sich. In ihr ist die Schöpferkraft des Universums versammelt; sie macht das Treibende der Wollust aus. Als Schöpferkraft ist Liebe die Kraft des kosmischen Ursprungs; eben deshalb ist jede ihrer Äußerungen eine Feier der Religion. ... Die Identität von Liebe und Ursprung zieht andere Identifikationen nach sich. Denn die mythische Grundstruktur läßt gleiches dem gleichen Ursprung verbunden sein.“
  14. Die methodische Berechtigung dieser Sicht ergibt sich etwa aus der wissenschaftlich anerkannten Vorgangsweise zum Verständnis mittelalterlicher Reliquienkästchen: nicht die an der Außenseite angebrachten ‚Schmuckstücke‘ sind das Wesentlichederen dem Betrachter sehbaren, oft kostbaren Flächen sind eben nur die Außenseiten des sich im Inneren findbaren Wesentlichen: die Reliquien strahlen demnach nach außen ab.
  15. Eine Analogie zum Segen des Priesters für die Ehewilligen stellt eine als Anwendung heiliger Ordnung verstandene Rechtsprechung im Übergang von heiligem Raum und Profanum dar: "Die offene Vorhalle dürfte als Stätte der Rechtsprechung gedient haben, wofür auch die Deutung der Figur des 'Dornausziehers' als Richter spricht." (Perger Richard - Brauneis Walther, Die mittelalterlichen Kirchen und Klöster Wiens, Wien-Hamburg 1977 [= Wiener Geschichtsbücher 19/20], 48).
  16. Für das Portal hochmittelalterlicher Kirchen hat Evers Gedanken beigebracht, die die in dieser Kurz-Studie für die W-Front verwendete Interpretations-Methode vorformen. Als „Wesen des Portals“ zeige sich „das Staatliche und das Sakramentale.“ (Evers Hans Gerhard, Tod, Macht und Raum als Bereiche der Architektur, München 1939, 179).
  17. „War das Ritual an der Kirchentür, das in den anglo-normannischen ordines erwähnt wird, … entweder die eigentliche oder möglicherweise die öffentliche Wiederholung einer privaten Vermählung? Molin und Mutembé behaupten, dass 'natürlich auch weltliche und familiäre Gebräuche Eingang in die Liturgie fanden'. Die Kirche tradierte diese alten Riten, indem sie sie öffentlich machte und unter ihren Einfluss brachte. Gleichzeitig veränderte sie jedoch ihren Sinn. Dennoch können wir unterscheiden zwischen Merkmalen, die aus dem bürgerlichen Kontext stammen, und Neuerungen, die auf spirituelle Entwürfe zurückgehen. Der Priester stellte zunächst fest, ob beide Seiten ihre Einwilligung gegeben hatten und ob die Regeln der Nichtverwandtschaft beachtet waren. Danach begnügte er sich damit die Zeremonie zu verfolgen und sie mit einem Gebet zu beenden.“ (Barthélemy Dominique, Christliche Ehen, 136, in: Geschichte des privaten Lebens 2 [Vom Feudalzeitalter zur Renaissance], hrsg. v. Georges Duby, 132-143).
  18. Knoch W., Art. Ehe / Lateinischer Westen / Theologie und Liturgie, Sp. 1617, in: Lexikon des Mittelalters 3, München und Zürich, Sp. 1616-1618.
  19. Knoch W., Art. Ehe / Lateinischer Westen / Theologie und Liturgie, Sp. 1617, in: Lexikon des Mittelalters 3, München und Zürich, Sp. 1616-1618.
  20. Das Verständnis des Mannes und der Frau vom Heiligen her unterscheidet sich von der von Walch vertretenen Conclusio seiner Arbeit, nach der „Geschlechtlichkeit als Ort der Gottesbegegnung“ gesehen werden könne (Walch Roland, Die körpersprachliche Botschaft der Sexualität als Ausgangspunkt für eine Theologie der Geschlechtlichkeit, Wien 2. Aufl., 1990 [= Publikationen des Instituts für Ehe und Familie 4], 60-61).
    Diese Überhöhung geschlechtlicher Beziehung (Walch: „Das positive Erleben der sexuellen Körpersprache läßt eine geschlechtliche Begegnung tatsächlich zu einem Symbol, einem Real-Symbol für den letzten Sinn des Lebens, für Hingabe an Gott und Empfang des Heiles werden“ [a.a.O., 60]) korreliert mit hohen Erwartungen im Sinne wechselseitiger Hingabe und Geborgenheit: Erwartungen, die man oft (siehe die hohe Zahl der Ehescheidungen) nicht erfüllt sieht.
  21. Dux Günter, Geschlecht und Gesellschaft. Warum wir lieben. Die romantische Liebe nach dem Verlust der Welt, Frankfurt am Main 1994, 40.
  22. Angesichts dieses religiösen Mankos reklamiert Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Centesimus annus. 100 Jahre Rerum novarum“ (zitiert nach der Ausgabe im Christiana-Verlag / Stein am Rhein 1991) ein Bewusstsein, dass „der Mensch sich selbst geschenkt worden (ist); darum muß er die natürliche und moralische Struktur, mit der er ausgestattet wurde, respektieren. … Der Mensch empfängt von Gott seine ihm wesenhafte Würde und mit ihr die Fähigkeit, über jede Gesellschaftsordnung in Richtung der Wahrheit und des Guten hinauszuschreiten.“ (a.a.O., 45).

Zu dieser Studie gibt es - auf Anfrage - eine Power-Point-Präsentation.