Das „Projekt Frintaneum“: Das Priesterkolleg St. Augustin „Frintaneum“ in Wien 1816-1918: Kirchliche Elite-Bildung im Donau-Alpen-Adria-Raum
Das „Projekt Frintaneum“: Das Priesterkolleg St. Augustin „Frintaneum“ in Wien 1816-1918: Kirchliche Elite-Bildung im Donau-Alpen-Adria-Raum
Projektbetreiber:
ao.Univ.-Prof. DDr. Rupert Klieber
em. o.Univ.-Prof. Dr. Karl Heinz Frankl
Projektbeschreibung:
Der Kaiserstaat Österreich bzw. die Österreichisch-Ungarische Monarchie wurde seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert und bis zu ihrem Ende 1918 nicht zuletzt durch eine gut funktionierende Bürokratie bzw. gut ausgebildete und loyale „Staatsdiener“ geprägt und zusammengehalten. Die Forderung nach gesamtstaatlicher Loyalität bezog sich auf unterschiedliche Trägergruppen: auf die Zivil-Beamtenschaft, auf das Offizierskorps und ebenso auf den Klerus. Sie wurden in einer Reihe von Elite-bildenden Anstalten geformt (z.B. die Theresianische Akademie und die Technische Militärakademie). Sie sollten „Kaderschmieden“ sein, aus der zuverlässiges Personal für Leitungspositionen hervorgeht – ohne Rücksicht auf regionale oder soziale Herkunft oder die Zugehörigkeit zu einer Sprachgruppe.
Das Projekt „Frintaneum“ widmet sich dem Priesterkolleg St. Augustin in Wien, das von 1816 bis 1918 existierte und nach seinem geistigen Vater auch „Frintaneum“ genannt wurde. Es fungierte für mehr als ein Jahrhundert als „Post-Graduate“-Einrichtung für römisch-katholische und griechisch-unierte Priester der gesamten Donaumonarchie. Es war einer der wenigen (zivilen) Einrichtung der Monarchie, die bis zuletzt beide Reichshälften der Donaumonarchie überspannte. Im Verlauf seines Bestehens von 1816 bis 1918 wurden 1.096 Priester aus allen Teilen der Monarchie ins Ausbildungs- und Formungsinstitut „Frintaneum“ aufgenommen.
Knapp zusammengefasst ist es das Ziel des Projekts, durch biogrammatische Untersuchungen der Mitglieder des Kollegs Aufschlüsse über die Funktion und Bedeutung der Einrichtung „Frintaneum“ zu erlangen. Das Projekt will konkret:
- das spirituelle, theologische und kirchliche Profil des Frintaneums und seiner Mitglieder rekonstruieren sowie seine Wirkung auf die verschiedenen kirchlichen Landschaften des Habsburgerreiches
- den Umfang, die Intensität und die zentralen Elemente der Prägung der Kollegsmitglieder durch das „Frintaneum“ ergründen inkl. der Strategien zur Sicherung seines „übernationalen“ Charakters;
- anhand der Karriereverläufe untersuchen, inwieweit das Institutsziel erreicht wurde, einen Personenpool für höhere Positionen („Eliten“) in Kirche und Staat zu bilden;
- die Rolle der Kollegsmitglieder als Multiplikatoren von kirchlichen, kulturellen, politischen Impulsen (inkl. des „übernationalen“ Institutsgeists) vom Zentrum in die Peripherie des Reiches ausloten;
- Hinweise darauf sammeln, in welchem Maße die Frintaneisten über ihrer Institutszeit hinaus regionale oder überregionale und über Sprachgrenzen reichende Verbindungen aufrechterhalten haben.
Das „Projekt Frintaneum“ kann auf einem Vorprojekt aus den Jahren 2001 bis 2008 aufbauen. Den Ausgangspunkt bildeten Forschungen zu den friulanischen Frintaneisten durch das Istituto di Storia Sociale e Religiosa in Görz; diese Recherchen wurden durch Kooperationen mit dem Wiener Institut für Kirchengeschichte sowie dem Kirchengeschichtlichen Institut der Universität Ljubljana auf alle Kollegsmitglieder der Kirchenprovinzen Görz, Salzburg und Wien ausgeweitet und im Zuge dessen ca. 250 Biogramme erarbeitet (= ca. ein Viertel aller Absolventen).
Die Ergebnisse liegen als viersprachige Publikation vor:
Karl Heinz Frankl u. Peter G. Tropper (Hg.), Das „Frintaneum“ in Wien und seine Mitglieder aus den Kirchenprovinzen Wien, Salzburg und Görz (1816-1918). Ein biographisches Lexikon, Klagenfurt-Ljubljana-Wien 2006.
Ein in Wien im Jahr 2006 organisiertes (Leitung: Karl Heinz Frankl, Rupert Klieber) präsentierte die Ergebnisse präsentiert und weitete den Blick auf andere Regionen der Monarchie (Ungarn, Böhmen/Mähren). Die Tagung bemühte sich auch um eine Stärkung der theoretischen Basis des Projekts und stellte Bezüge zur etablierten Eliteforschung her:
Karl Heinz Frankl und Rupert Klieber (Hg.), Das Priesterkolleg St. Augustin / „Frintaneum“ in Wien 1816 bis 1918. Kirchliche Elite-Bildung für den Donau-Alpen-Adria-Raum, Böhlau-Verlag, Wien 2008.
Im Zuge der derzeit laufenden Projektarbeiten werden die nationalen Historikerteams bis 2015 die ausstehenden 830 Biogramme erarbeiten. Die Biogramme werden in der Folge in Wien sprachliche überarbeitet, um Informationen aus zentralen Archivgeständen ergänzt, redigiert und ausgewertet:
- Projektteil Kroatien-„Küstenland“/Bosnien: 114 Frintaneisten
- Projektteil Tschechien (Böhmen/Mähren): 140 Frintaneisten
- Projektteil Polen (Galizien I): 115 röm.-kath. Frintaneisten
- Projektteil Ukraine (Galizien II): 62 griech.-kath. Frintaneisten
- Projektteil Slowakei ( „Oberungarn“): 65 Frintaneisten
- Projektteil Ungarn („Ungarn“/Siebenbürgen): 284 Frintaneisten
- Projektteil Italien (Lombardei/Venetien): 50 Frintaneisten
Die Erarbeitung der Biogramme der Frintaneisten samt historischen Skizzen zu den Diözesangeschichten für das 19. Jahrhundert erfolgen nach vereinbarten Schemata, sodass eine gute Vergleichbarkeit und Auswertbarkeit der Biogramme gewährleistet erscheint und das kirchliche, soziale und nationale Profil der Kollegsmitglieder erkennbar werden kann. Die Projektleitung in Wien organisiert nach Maßgabe der eingelangten Arbeiten der Historikerteams folgende, nach Kirchenprovinzen gegliederte lexikalischer Bände:
- [Band I: bereits vorhanden; die Kirchenprovinzen Salzburg, Wien und Görz]
- Band II: die Kirchenprovinzen Mailand, Venedig, Zara, Agram und Sarajewo sowie alle griech.-kath. Diözesen der Habsburgermonarchie
- Band III: die Kirchenprovinzen Prag, Olmütz, Lemberg sowie die Diözese Krakau
- Band IV: die Kirchenprovinzen Gran, Erlau und Kalocsa.
Länderverantwortliche für das Projekt „Frintaneum“ sind:
- Jaroslav Šebek (Historisches Institut der Akademie der Wissenschaften Prag) für die Biogramme von Böhmen und Mähren
- Péter Tusor (Katholische Universität Budapest) in Kooperation mit István Fazekas (Ungarische Archivdelegation im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien) für die Biogramme der (lateinischen) ungarischen Diözesen (exkl. der Slowaken und Kroaten).
- Emilia Hrabovec (Univ. Bratislava) ist für die Biogramme heute „slowakischer“ resp. vormals oberungarischer Diözesen verantwortlich.
- Den polnisch-sprachigen Kollegsmitglieder der ED Krakau bzw. galizischer Diözesen widmet sich unter der Koordination von Marek Stasiowski (Wien) und den Komitee-Mitgliedern Stanisław Nabywaniec (Univ. Rzeszów) und Józef Wołczański (Theol.-Päpstliche Akademie Krakau).
- Die Erstellung von Biogrammen der kroatischen Diözesen in der österreichischen wie ungarischen Reichshälfte (die Kirchenprovinzen Zara und Zagreb) sowie für Bosnien verantwortet Frau Dr. Ivana Horbec von der Akademie der Wissenschaften in Zagreb.
- Für den Bereich der griech.-kath. Diözesen der heutigen Ukraine zeichnet Prof. Dr. Oleh Turij (Univ. Lemberg) verantwortlich.
- Die Erstellung der Biogramme aus lombarischen und venetianischen Diözesen wird durch das Istituto di Storia Sociale e Religiosa in Gorizia/Görz unter Leitung von Frau Prof. Liliana Ferrari organisiert.