Dissertationsprojekt
Mag. theol., Mag. phil. Andrea Riedl
"Kontroverstheologische Schriften 'gegen die Griechen' bzw. 'gegen die Lateiner' im 13. Jahrhundert"
Die Dissertation befasst sich mit dem polemischen Schrifttum, das seinen Entstehungsgrund in der theologischen Kontroverse zwischen der lateinischen Kirche des Westens und der griechischen Kirche des Ostens im 13. Jh. hat. Durch die Etablierung des lateinischen Kaiserreichs 1204–1261 in Konstantinopel änderten sich die kirchenpolitischen und gesellschaftlichen wie auch die theologischen und letztlich ökumenischen Parameter der Auseinandersetzung der beiden Kirchen mit dem jeweiligen Gegenüber.
Die Werke 'gegen die Griechen' bzw. 'gegen die Lateiner' im 13. Jahrhundert kennen und prägen eine Reihe von Kontroversfragen, die sie je nach Gewichtung und je nach theologischem, ekklesiologischem oder kirchenpolitischem Hintergrund besonders ins Licht rücken. Unter ihnen ragen Themen hervor, die zum einen immer wiederkehrende Elemente derartiger Schriften sind, deren Lösung zum anderen in vielen Fällen zur Grundbedingung jedes weiteren Gesprächs oder Austausches gemacht wird: Den Bereich der Dogmatik, näherhin den Bereich der Trinitätstheologie bzw. Pneumatologie und damit das Zentrum kirchlicher Lehre berührt die Frage nach dem Ausgang des Heiligen Geistes. Die von der Westkirche einseitig vollzogene Einfügung des filioque in den Wortlaut des nizäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses gehört zu den brennendsten und konfliktreichsten Streitpunkten der theologischen Kontroversliteratur ab dem 11. Jh. Nicht weniger belastet ist die Frage nach der eucharistischen Zelebration mit gesäuertem oder ungesäuertem Brot, womit der Bereich der Liturgie betroffen ist. Gerade die Stellung der Azymenfrage, aber auch des filioque (und des ab dem 13. Jh. aufkommenden Streites um die Vorstellung des Purgatoriums) machen deutlich, dass besonders Streitfragen des Ritus im Zentrum der Aufmerksamkeit standen. Als einer der umfassendsten und in den Werken umfangreich präsenten Streitpunkte erweist sich auf beiden Seiten der ekklesiologische Bereich und damit die heikle Frage nach der Anerkennung der Vollmacht des römischen Papstes als Oberhaupt der Gesamtkirche. Das Thema des Primats des römischen Papstes ist in vielen Fällen nicht reduziert auf einen Konfliktpunkt unter mehreren, sondern stellt gewissermaßen die Folie im Hintergrund aller anderen Divergenzen – seien sie liturgisch, dogmatisch, praktisch usw. – dar.
Gerade für das 13. Jh. und den Zeitraum des lateinischen Kaiserreichs ergibt sich somit eine Ausnahmesituation sowohl hinsichtlich des kirchenpolitischen, aber auch des theologischen Dialogs. Die geplante Dissertation setzt sich zum Ziel, die Beziehungen zwischen der lateinischen und der griechischen Kirche zur Zeit des lateinischen Kaiserreichs 1204–1261 bis zum Zweiten Konzil von Lyon 1274 in der Darstellung des polemischen Schrifttums zu untersuchen. Anknüpfend an die erwähnten Divergenzen, die in den kontroverstheologischen Schriften unterschiedlich breiten Raum einnehmen, wird als zentrales und umfassend angelegtes inhaltliches Motiv das ‚Bild der Kirche‘ gewählt, an dem Aussage, Absicht und Wirkung der polemischen Schriften untersucht werden sollen. Dabei werden ausgewählte Werke im Blickfeld stehen, die im genannten Zeitraum entweder innerhalb der Reichsgrenzen des lateinischen Kaiserreichs bzw. im Exilreich Nizäa sowohl auf lateinischer, als auch auf griechischer Seite entstanden sind, oder direkten Bezug auf erstere aufweisen. Die Darstellung lehramtlicher Beschlüsse und Vorgaben bzw. kirchenrechtlicher Entwicklungen des 13. Jhs. wird den Rahmen der Untersuchung bilden. Dieser Rahmen steckt erstens die lehramtlichen Anhaltspunkte theologischer Argumentation ab und stellt zweitens eine Entwicklungslinie der kirchlichen Beziehungen zueinander dar, auf deren Hintergrund dieselben Inhalte – aber transportiert in polemischen Schriften mit den jeweiligen theologischen Methoden – Konturen gewinnen.