Nachlese zur Internationalen Tagung Philosophische Schriftauslegung: Geschichte eines ungewöhnlichen Projekts
Vom 12.-14. April 2018 fand an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien eine von PD Dr. Martina Roesner (Institut für Bibelwissenschaft / Altes Testament) und Prof. Dr. Ludger Schwienhorst-Schönberger (Institut für Bibelwissenschaft / Altes Testament) organisierte internationale Tagung zum Thema Philosophische Schriftauslegung: Geschichte eines ungewöhnlichen Projekts statt. Die Veranstaltung stand in Zusammenhang mit dem von Dr. Roesner geleiteten und vom Austrian Science Fund (FWF) geförderten Forschungsprojekt „Wahrheit als Textualität. Der historisch-systematische Ort von Meister Eckharts lateinischen Bibelkommentaren“ (P 27499-G15).
Im Mittelpunkt des dreitägigen Kolloquiums stand die Absicht, die komplexe Entwicklung des Verhältnisses von biblischer Schriftoffenbarung und philosophischer Vernunft nachzuzeichnen und dabei insbesondere ihre wechselseitige Beeinflussung und Durchdringung zu untersuchen. Der Bogen spannte sich dabei von der Patristik (Origenes, Gregor von Nyssa) und Scholastik (Thomas von Aquin, Meister Eckhart) über die Renaissance (Cusanus, Ficino, Erasmus) und die Neuzeit (Spinoza, Schleiermacher, Schelling) bis in die Gegenwart (Heidegger, Bultmann, Nouvelle Théologie). Dreizehn namhafte Fachleute aus dem In- und Ausland behandelten die unterschiedlichen Epochen und Autoren aus dem Blickwinkel ihrer jeweiligen Disziplinen (katholische Theologie, evangelische Theologie, Judaistik, Philosophie), um die unterschiedlichen Paradigmen des Verhältnisses von philosophischer Vernunft und Schriftoffenbarung deutlich werden zu lassen.
Die während des Kolloquiums stattfindenden Diskussionen ließen bei allen Unterschieden zwischen den einzelnen Disziplinen, Schulrichtungen und Deutungsansätzen doch auch immer wieder erstaunliche Gemeinsamkeiten und durchgehende Leitmotive erkennen. So wurde deutlich, dass Origenes’ Einfluss von der Spätantike bis in die Gegenwart bei all jenen Autoren spürbar ist, die sich um eine philosophische Interpretation des biblischen Textes bemühen. Dieser am Konkordanzgedanken orientierten Traditionslinie stehen all diejenigen Ansätze gegenüber, die zwischen der rein exegetischen Frage nach der Bedeutung des biblischen Textes als Text und der Frage nach seiner philosophisch-theologischen Wahrheit unterscheiden. Als weiteres Ergebnis der Diskussionen kristallisierte sich auch die Einsicht heraus, dass überraschenderweise weniger der Aristotelismus als vielmehr der Platonismus dazu beigetragen hat, einen Dialog zwischen Philosophie und Exegese zu befördern. Insgesamt waren sich alle Referenten der Tagung darin einig, dass die Vorträge und Diskussionen wichtige Anstöße dazu gegeben haben, bestimmte festgefahrene Klischeevorstellungen hinsichtlich des Verhältnisses von philosophischer Vernunft und Schriftauslegung aufzubrechen und ihr gegenseitiges Verhältnis mit Blick auf die heutige Philosophie und Theologie neu zu bedenken.
In Kooperation mit: FWF Der Wissenschaftsfonds